Und weiter geht es mit meiner Fortbildungsreihe. Nach dem Seminar der Deutschen Rechtssprache ist nun das Englische Gesellschaftsrecht an der Reihe.
Ich übersetze seit 20 Jahren Verträge vom Englischen ins Deutsche und umgekehrt und habe diese Art der Übersetzung in der letzten Firma gelernt, in der ich als Assistant to the Director of Finance, also der Assistentin des kaufmännischen Direktors, als Angestellte gearbeitet habe. Ursprünglich gehörte das Unternehmen einem französischen Großkonzern, so dass bei den Mitarbeitern bereits bei der Einstellung auf ausgezeichnete Französischkenntnisse geachtet wurde. Englisch war Nebensache.
Und dann wurde das Unternehmen an einen britischen Großkonzern verkauft. Der damalige Controller warnte mich, denn er kannte britische Unternehmen: Sie wollten alles ganz genau wissen, würden regelmäßige Berichte in englischer Sprache über alle Abteilungen verlangen, die Übersetzung aller bestehenden Verträge anfordern sowie zahlreiche neue Verträge und Versicherungspolicen schicken – in englischer Sprache (die in dem Unternehmen selbst die Führungskräfte nicht verstanden).
Bereits damals machte ich mich auf eigene Faust sofort daran, mein Englisch auf den neuesten Stand zu bringen. Ich legte das „Certifcate of Business English“ sowie das „Cambridge Certificate of Advanced English“ ab. Und dann kamen, wie von dem Controller angekündigt, die Anfragen des britischen Mutterkonzerns, und zwar wöchentlich, wenn nicht täglich. In dieser Zeit habe ich ein ungemeines Praxiswissen in den Bereichen Verträge, Versicherungen, Controlling, Finanzen, aber auch Personalwesen durch „betriebliche Übung“ erarbeitet, das mir bis heute in meinem Berufsleben sehr nützt.
Aber mit diesem vom BDÜ angebotenen Seminar bot sich mir die einzigartige Chance, auch das dazugehörige theoretische Wissen zu erwerben. Voller Vorfreude machte ich mich also auf den Weg nach Berlin.
Das für juristische Übersetzer bestimmte Seminar wird in englischer Sprache abgehalten und beginnt mit den „Basic principles of Company Law“, also den Grundsätzen des (britischen) Gesellschaftsrechts. Begonnen wird mit der Überlegung, warum es überhaupt sinnvoll sein soll, eine Gesellschaft zu gründen anstatt als Einzelkaufmann zu firmieren. Und welche Gesellschaftsformen gibt es im britischen Recht – im Vergleich zum deutschen Recht? Wie lassen sich die einzelnen Gesellschaftsformen überhaupt vom Englischen ins Deutsche und umgekehrt übersetzen? Sie sind nämlich nicht unbedingt identisch, so dass es durchaus Sinn macht, den jeweiligen Begriff in der Ausgangssprache in Anführungszeichen stehen zu lassen und ihn dann in Klammern dahinter zu erläutern.
Dies wird anhand des Beispiels „Shares“ erklärt: „Shares“ sind im Englischen sowohl „(Gesellschafts-)Anteile“ als auch „Aktien“. Schön, wenn man bei der Übersetzung den genauen Zusammenhang kennt und weiß, um welche Gesellschaftsform es sich handelt… Und wenn nicht? Dann zieht der Übersetzer seinen Kopf damit aus der Schlinge, dass er den Terminus „Shares“ in der deutschen Übersetzung stehen lässt und dahinter in Klammern erläutert, dass „Shares“ sowohl Geschäftsanteile (also der generische Begriff) sein können als auch ganz konkret „Aktien“. Per Analogie geht man selbstverständlich genauso vor, wenn man ins Englische übersetzt. Ohne die Kenntnis beider Rechtssysteme ist dies daher nicht möglich.
Anschließend wird definiert, was eine „Partnership“, also eine „Partnerschaftsgesellschaft“ ist. Wie sehen die Haftungsverhältnisse zwischen den einzelnen „Partners“, also den „Partnern“ aus, wann verjährt eine derartige Haftung (in Deutschland nach 5 Jahren, in Großbritannien nach 6 Jahren)?
Nun geht es zu den praktischen Übungen. Es werden Auszüge aus den Statuten der verschiedenen Gesellschaftsformen aus dem Englischen ins Deutsche und vom Deutschen ins Englische übersetzt. Wir arbeiten in Gruppen und dürfen Wörterbücher benutzen, wobei sich ebenso wie in meiner bisherigen Übersetzerpraxis herausstellt, dass ein Wörterbuch höchstens eine Gedächtnisstütze für einen Begriff sein kann, den man nicht auf Anhieb parat hat. Wörterbücher bieten nämlich für jeden gesuchten Begriff immer gleich mehrere Möglichkeiten an. Und wenn dem Übersetzer dann nicht klar ist, welchen dieser Begriffe er zu wählen hat, kann er allenfalls im Internet nach Beispielsätzen forschen (und dabei viel wertvolle Zeit verlieren) oder – hier in diesem konkreten Fall – den Lehrer fragen. Und das ist genau der Grund, warum ich hier bin – nämlich mein Wissen um die Zusammenhänge zu vertiefen.
Mit rauchenden Köpfen gehen wir alle gemeinsam essen, nachdem wir das italienische Restaurant vorher benachrichtigt und unsere jeweiligen Gerichte per Karte vorbestellt haben, so verlieren wir keine unnötige Zeit. Unterwegs wird weiterhin gefachsimpelt, jeder erzählt ein wenig aus seinem Leben und von seinen Erfahrungen als Übersetzer. Natürlich sind wir alle spezialisiert auf Übersetzungen im Bereich Recht für die englische Sprache, aber jeder von uns bedient auch noch eine 2. Sprache und häufig auch noch zusätzliche Fachgebiete. Es ergeben sich nette und interessante Gespräche rund um den Übersetzerberuf.
Im weiteren Verlauf des Seminars erfahren wir u. a., dass es in Großbritannien ein zentrales Handelsregister gibt, nämlich das „Company’s House“, das es in dieser Form in Deutschland nicht gibt. Auch die Formalien zur Gründung einer Gesellschaft sind deutlich einfacher und kürzer, so dass der Aufwand zur Gründung einer Gesellschaft in Großbritannien erheblich geringer ist als in Deutschland (geschweige denn in Frankreich. Das erklärt z. B. zum Teil, warum in Frankreich seitens kleiner und mittelständischer Unternehmen ein Trend besteht, den Firmensitz nach Großbritannien zu verlagern [und das betrifft in Frankreich sogar kleinere Handwerksunternehmen, wie z. B. Friseure!], denn auch die steuerlichen Vorschriften sind dort einfacher – und günstiger…).
Bei der nächsten Übersetzungsübung lernen wir spannende Begriffe wie „Shadow Director“ = Hintermann / Strohmann. Weiterhin werde ich insofern beruhigt, als ich erfahre, dass der Begriff „Company Secretary“ (der alles andere als eine „Sekretärin des Unternehmens“ oder gar ein „Schriftführer“ ist!) nicht übersetzt sondern höchstens erklärt wird. In all den Jahren, in denen ich als Angestellte in „meinem“ letzten Unternehmen mit diesem Begriff (und dem im Übrigen höchst sympathischen dazugehörigen Menschen) konfrontiert wurde, ist mir nämlich trotz nächtelanger Internetforschungen keine bessere Übersetzung über den Weg gelaufen als „hoher Verwaltungsbeamter eines Unternehmens“ (seit wann gibt es Beamte in Unternehmen?). Also, ich hatte Recht, ich durfte den Begriff tatsächlich so stehen lassen, denn ein deutsches Äquivalent gibt es in der Form nicht. In meiner damaligen Firma waren der Herr und seine Aufgaben hinlänglich bekannt, bei einer fremden Firma bliebe mir nur noch die Möglichkeit, seine Aufgaben in Klammern kurz zu erläutern.
Beruhigt, um einige Erfahrungen und einen netten Kontakt mit einer Kollegin reicher verlasse ich abends das Seminar mit dem festen Vorsatz, auf jeden Fall weitere Kurse dieser Art zu belegen, sollte der BDÜ Fortsetzungsseminare anbieten, wovon ich stark ausgehe.